Kleine, grosse Weihnachts-Freuden

„Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.“ (Autor unbekannt)

 Als ich nach einem Spruch für unsere Familien-Weihnachtskarten suchte, fand ich diesen. So wahr, dachte ich. Das stimmt, es ist stimmig für uns. Es passt zu meiner Stimmung, nicht nur vor Weihnachten.

IMG_5768Gross und aussergewöhnlich ist in meinem Leben eigentlich nichts. Dabei hatte ich früher so grosse Träume. Etwas richtig Grosses wollte ich ändern in der Welt, am liebsten im Umweltschutz. Einen aussergewöhnlichen Job finden, vielleicht ein grosses Buch schreiben? Auf jeden Fall eine grosse Familie haben, jede Menge Kinder, Tiere und Platz. Jede Menge grosses, buntes, aussergewöhnliches Leben.

Nein, davon habe ich gar nichts verwirklicht, denke ich heute in den trübe-kriseligen Momenten. An anderen, sonnigeren Tagen finde ich: Doch, eigentlich habe ich von all dem ein bisschen  verwirklicht. Nur viel kleiner und unscheinbarer. Aber vielleicht ist das ok, wenn es auch das Geheimnis der Weihnacht ist?

Das erste Weihnachten, was ich als Kleinkind erlebte, sollte etwas ganz Besonderes sein. So hatten es sich meine Eltern, Grosseltern, Paten gewünscht für mich, dem ersten Kind in der Familie, das da seit Jahren mitfeiern würde. Sie erzählten mir im Kinderzimmer vom Christkind, von Engeln und Sternen und all dem Tollen, was gleich passieren würde. Einen wunderschönen Baum hatten sie geschmückt, eine Brio-Bahn für mich darunter aufgebaut, zwischen aufgetürmten Geschenken.

Als das Glöckchen läutete, unsere grossen Altbau-Türen zum Wohnzimmer aufgingen, lief ich total aufgedreht und aufgeregt zu dieser hellen Herrlichkeit. Und übergab mich in hohem Bogen, direkt unter den Weihnachts-Baum. Keine Magen-Darm-Grippe, es war wohl nur alles zusammen viel zu gross und zu aussergewöhnlich gewesen für ein kleines Kind.

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Omi an Heiligabend mit 34 Jahren

Meine Großmutter hatte mir an diesem Weihnachts-Abend und später, über meine Kindheit hinweg ein ganz anderes Lebensgefühl vermittelt. Omi war eine kleine Frau mit einem kleinen Leben. In ihren letzten Lebensjahren im Rollstuhl, im Altersheim muss dieses Leben jeden Tag noch ein bisschen beengter geworden sein, denke ich heute. Als Kind spürte ich nur, wie Omi sich an den kleinen Dingen freute. Ein Sauerbraten, der ihr gelungen war. Ein Usambara-Veilchen, das blühte. Eine Frisörin, die ihr die weissen Löckchen neu gelegt hatte. Ein Enkel, der für ein paar Minuten hereinschneite zu ihr.

Worum uns selten jemand bitten musste, selbst als Omi nurmehr sass in ihrem Rollstuhl, wenig sprach und viel lächelte. Wir blieben meist nicht lange, aber wir kamen gern in ihr Zimmer, das jedesmal ein bisschen chaotischer war und oft nach Altersheim-Essen roch. Omi war keine Heilige, sie konnte durchaus auch pikselig und bissig werden. Aber meistens strahlte sie eine unerschütterliche Freude aus, so viel sie durch Weltkriege, Flucht, Scheidung verloren hatte und so klein ihr Leben geworden war.

Jetzt, wo ich selber Mutter bin, würde ich Weihnachten liebend gern möglichst gross und aussergewöhnlich gestalten für unsere drei Kinder. Daran ist auch nichts verkehrt. Aber wenn ich ehrlich zurückdenke, ging uns da noch immer etwas schief. Bei den aussergewöhnlichen Geschenken danebengegriffen, bei der grossen Dekoration übertrieben. Beim außergewöhnlichen Festessen den Geschmack nicht getroffen, beim grossen Familientreffen in den grossen Streit geschlittert.

Entspannt, besinnlich, so richtig weihnachtlich sind bei uns nur die kleinen, unscheinbaren Momente, die sich einfach ergeben, jenseits aller Weihnachts-Planung, alle Jahre wieder. Kinder, die morgens im Pyjama zwischen Geschenkpapierfetzen liegen, selig beschäftigt mit einem neuen Spielzeug. Ein improvisierter Brunch mit Stollen, Rührei und Überbleibseln vom Braten. Die ganze Familie auf einem Winterspaziergang, natürlich ohne Schnee und trotzdem schön. Ein Gespräch in aller Ruhe mit meinen Eltern, während die Kerzen ausbrennen.

IMG_5783.JPGOmi hätte sich an diesen Momenten mit ihren Urenkeln gefreut. Ihr Geburtstag war am 24. Dezember, dieses Jahr am Heiligabend wäre sie 107 geworden. Wenn ich mir eins aus dem genetischen Pool meiner Familie aussuchen und zu Weihnachten wünschen dürfte, dann ihre Freude an dem Kleinen und Unscheinbaren. Ihre Fähigkeit, es nicht immer auf der Suche nach Grossem und Aussergewöhnlichen zu übersehen und zu überrennen. Ob ihr das als „Christkind“ einfach mitgegeben worden war, ob sie es erst lernen musste wie wir? Geheimnis der Weihnacht.

Ich wünsche Euch allen frohe Festtage und viele wunderbare Weihnachts-Momente mit Euren Familien, kleine und grosse, unscheinbare und aussergewöhnliche!

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